Titelbild
Camps

„Mexiko war schon immer in meinem Herzen“

Veronika Lanzersdorfer (16), gebürtig aus Wels (Österreich), hat vom 5. Juli bis 4. August 2018 einen Monat ihrer Ferien in Guadalajara (Mexiko) verbracht und sich dort als ECYD-Sommercoworkerin sozial engagiert. Im Interview berichtet sie von ihren Erfahrungen:

Veronika, wie bist Du auf die Idee gekommen, Sommercoworkerin zu werden?

In den letzten Jahren habe ich an vielen Sommercamps des ECYDs in Deutschland teilgenommen und dort auch Sommercoworkerinnen kennengelernt, die Camps vorbereitet und begleitet haben. Als Teilnehmerin habe ich gern zu ihnen aufgesehen. Ich war beeindruckt davon, dass eine Gruppe von Mädchen, die sich vorher überhaupt nicht kannten, zusammenarbeiteten und gemeinsam diesen einen Monat ihrer Ferien Gott und den Menschen schenkten. Die Idee fand ich ziemlich cool und ich habe mich deshalb auch entschlossen, das zu machen.

Und Dein Einsatz in Mexiko war bereits Dein zweiter Einsatz als Sommercoworkerin, oder?

Genau. Letztes Jahr war ich Sommercoworkerin in Düsseldorf. Das war echt der beste Sommer meines Lebens. Ich habe so viele gute Erfahrungen gemacht und bin in meiner Beziehung zu Jesus unglaublich gewachsen.

Warum bist Du dieses Jahr Sommercoworkerin  in Mexiko geworden?

Ich wollte schon immer nach Mexiko. Ich bin total interessiert an dem Land und der Kultur. Meine Brüder waren schon öfters dort und ich kenne dadurch einige Mexikaner. Ich mag an Mexiko, dass die Menschen dort immer glücklich und offenherzig sind, deswegen habe ich mir überlegt, es wäre cool, dorthin zu gehen.

Und wie ging es dann für Dich weiter?

Ich habe mit Bernadette Ballestrem, die das ECYD in Deutschland leitet, und meinen Eltern darüber gesprochen. Auf der englischen ECYD-Seite gibt es Infos, wo man als Sommercoworker hingeschickt werden kann und zu welchen Zeiten das geht. Allerdings gab es ein Problem: Die angegebenen Zeiten haben sich nie mit meinen Ferien überschnitten! Daraufhin habe ich Gott darum gebeten, dass sich das alles fügt. Am nächsten Tag ist auf der Internetseite ein neuer Ort in Mexiko zugefügt worden, der sich mit meinen Ferien überschnitten hat.

Was waren Deine ersten Gedanken, als dir klar wurde, dass du nach Mexiko gehen kannst?

Ich habe mich tierisch gefreut! Mexiko war schon immer in meinem Herzen. Für mich ging ein Traum in Erfüllung. Nur vor dem Flug hatte ich Respekt: Das war mein erster Transatlantik-Flug und ich bin ganz alleine geflogen. Eine Woche vor dem Abflug kamen Gedanken wie: „Was ist, wenn das und das passiert…?

Aber es hat alles geklappt…?

Ich bin von München nach Mexiko-City und von dort nach Guadalajara geflogen. Als die Stewardessen die Einreiseformulare verteilt haben, war ich ziemlich aufgeregt, weil ich nicht genau wusste, was ich da reinschreiben muss – das war ja alles auf Spanisch. Am Flughafen in Mexiko-City habe ich außerdem erfahren, dass ich das Terminal wechseln muss. Ich musste dafür einen Bus finden, der mich zum anderen Terminal bringt. Da war ich völlig überfordert und dachte mir: „Ich steige einfach in irgendeinen Bus ein, der wird mich schon hinbringen. Letztendlich hat aber alles gut geklappt. Eine gottgeweihte Frau des Regnum Christi hat mich am Flughafen in Guadalajara abgeholt und mich sehr herzlich begrüßt.

In Guadalajara hast Du das erste Mal die anderen Sommercoworkerinnen getroffen. Wie war diese Begegnung für Dich?

Alle anderen Sommercoworkerinnen waren einen Tag früher als ich angekommen und ich habe gedacht: „Werde ich schon etwas verpasst haben?“ Außerdem war ich die einzige europäische Sommercoworkerin: Sieben kamen aus Mexiko, eine aus Chile und eine aus El Salvador. Alle konnten Spanisch sprechen. Ich war unsicher, wie sie wohl auf mich reagieren würden. Meine Sorgen waren dann aber ganz unbegründet: Im ECYD-Haus, wo wir gewohnt haben, sind alle runtergestürmt, haben mich begrüßt, mir das Haus gezeigt, mir beim Auspacken geholfen und ganz viele Fragen gestellt. Nach eher allgemeinen Fragen war die erste Frage, wie ich mich gefühlt hätte, als Mexiko gegen Deutschland in der WM gewonnen hatte. Ich musste ihnen dann erst einmal erklären, dass Deutschland und Österreich nicht das gleiche Land sind.

 

Veronika (obere Reihe, zweite von links) mit den anderen ECYD-Sommercoworkerinnen


Wie waren Deine ersten Tage in Mexiko? Hattest Du einen Kulturschock? 

Ich habe mich von Anfang an sehr willkommen gefühlt. Alle haben immer darauf geachtet, dass ich alles verstehe. Einen Kulturschock hatte ich nicht, denn ich war schon gefasst auf eine Kultur, die sich von der europäischen sehr unterscheidet.
Was mich aber sehr überrumpelt hat – wo mir die Kinnlade bis zu den Knien gerutscht ist – war der Verkehr. Ich hatte das Gefühl, dass jeder Autofahrer fährt, wie er will, und blinkt, wann er will. Als Fußgänger muss man echt aufpassen. Einmal bin ich mit einer gottgeweihten Frau im Auto gesessen und da war ein Polizeiauto mit Blaulicht neben uns. In Deutschland macht man da normalerweise Platz. Ich fand das schon witzig, als wir das Polizeiauto mit Blaulicht einfach überholt haben.

Was waren Deine Aufgaben als Sommercoworkerin? Wie war Dein Tagesablauf?

Der ECYD-Coworkersommer in Mexiko hat sich sehr von dem in Deutschland unterschieden. In Deutschland waren wir vor allem auf den Sommercamps im Einsatz, in Mexiko haben wir viele soziale Aktionen gemacht und das über ganz unterschiedliche Zeiträume – von einer Woche bis zu einem Tag oder nur ein paar Stunden war alles dabei. Der Tagesablauf war deshalb immer verschieden, aber meistens sind wir gegen 8 Uhr aufgestanden, haben danach Morgengebet gemacht und gefrühstückt. Danach war Zeit für Hausarbeit und hl. Messe. Nach dem Mittagessen hatten wir dann Zeit für ein Apostolat oder einen Impuls. Außerdem gab es jeden Abend eine Nachtaktivität.

Veronika mit den anderen ECYD-Sommercoworkerinnen und einigen Immigranten im Immigrantenheim

Wo Du gerade von „Apostolat“ sprichst: Was genau hast Du da gemacht?

Das waren verschiedene soziale Einsätze, die wir bewusst als Christen umsetzten. Einmal waren wir in einem Immigrantenheim mit Menschen, die in die Vereinigten Staaten von Nordamerika einreisen wollten, aber auf ihre Papiere warten mussten. Dort verbrachten wir vier Tage lang jeden Tag drei Stunden mit den Immigranten, sprachen mit ihnen und halfen, die Wartezeit gut zu nutzen. Ein anderes Mal waren wir in der Fußgängerzone. Wir  verteilten an Passanten kleine Rosenkränze mit ermutigenden Sprüchen und fragen sie, ob sie Anliegen hätten, für die wir beten sollen. Ein berührendes Erlebnis hatte ich in einem Altenheim: Ich dachte vorher, dass mich wegen der Sprache sowieso niemand verstehen würde. Dann traf ich jedoch auf eine herzliche Omi, die mir sogar half und beim Spielen spanische Begriffe beibrachte.

Was war für Dich die schönste Erfahrung im ECYD-Coworkersommer und warum?

Die allerschönste Erfahrung für mich waren die „Missionen“. Wir wohnten eine Woche lang in einem kleinen Dorf zwei Stunden außerhalb von Guadalajara in einem Pfarrheim. Mein Team hatte vormittags Kinderkurs, wo wir mit den Kindern Mini-Katechesen organisierten und spielten, und nachmittags besuchten wir die Leute aus dem Dorf zuhause. Manche Kinder waren von morgens bis abends mit uns unterwegs. Für sie ist das das Highlight des Jahres, wenn wir kommen: Ab 8 Uhr standen sie vor unserer Tür und warteten, bis das Programm losging. Die Kinder sind sofort auf mich zugegangen und waren total interessiert. Wenn sie mir etwas sagen wollten und ich das nicht verstand, gingen sie zu einer Freundin und fragten, wie man das auf Englisch sagt, und kamen dann zu mir zurück. Die Kinder haben mir mein Herz gestohlen. Vorher hatte ich die Einstellung: „Ich schenke ihnen diese Woche etwas und bringe meine Zeit auf, um ihnen eine Freude zu machen“. Aber im Endeffekt war das genau umgekehrt. Als wir uns am Ende verabschiedeten, mussten wir alle weinen.

 

Und wie war es, die Menschen aus dem Dorf zuhause zu besuchen?

Die Hausbesuche waren echt krass. Von fünf Minuten bis zu einer Stunde war alles drin. Die Leute erzählten teilweise ihre ganze Lebensgeschichte und da kam mir manchmal die Tränen. Nicht aus Mitleid, sondern weil ich dachte: „Wie können diese Menschen so glücklich sein, obwohl sie so etwas erlebt haben?“ Ich habe gesehen, unter welchen Bedingungen die Menschen dort leben. Eine Familie hat mit fünf Kindern in einem 15 Quadratmeter Zimmer gewohnt. Sie hatten wenig Geld und wenig zu essen, aber alles, was sie hatten, wollten sie mit uns teilen. An einem Tag hatte eine Freundin Geburtstag und das ganze Dorf hat sich abgesprochen, ihr eine Torte zu backen, obwohl sie so wenig hatten. Die Menschen haben in Mexiko oft nur ihre Familie, ihre Freunde und ihren Glauben, aber sie haben so eine Lebensfreude! Ich dachte: „Wie blind war ich, dass ich nur die Oberfläche wahrnahm? Diese Leute haben wirklich begriffen, um was es im Leben geht.“ Die Menschen, denen ich begegnet bin, sind nicht zu bemitleiden, weil sie z.B. kein Auto haben. Ich kann sie nur bewundern!

Inwiefern hat der Coworkersommer Dich verändert? Was nimmst Du mit nach Hause?

Meine Sichtweise, was im Leben wirklich zählt, hat sich verändert! Ich habe die Erfahrung gemacht, dass es auf das Innere ankommt. Außerdem nehme ich Verantwortungsbewusstsein und die Einstellung, auch in schwierigen Situationen das Beste daraus zu machen, mit nach Hause. Und der „Missionsgedanke“ war für mich wichtig. Mir ist jetzt bewusster, dass ich eine persönliche Mission habe, um Menschen näher zu Gott zu bringen. Ich hoffe, dass ich viele Menschen zuhause, durch das, was ich in Mexiko erlebt habe, bereichern kann…

Vielen Dank für das Interview!

Das Interview führte Angela Kunze

Verwandte Beiträge: