
Gottes Plan – ein „himmelfähiges“ Herz entwickeln
Welchen Beruf soll ich lernen? Wen soll ich heiraten? Es sind keine leichten Fragen, mit denen junge Erwachsene konfrontiert sind. Pater Klaus Einsle LC arbeitet seit mehr als zwanzig Jahren in der Jugendarbeit des Regnum Christi. Im Interview erklärt er, welche Vision hinter „Gottes Plan“ für das Leben junger Menschen steckt.
Pater Klaus, immer wieder sprechen Christen von „Gottes Plan“. Was genau hat es damit auf sich?
Ich denke, dass Gottes Plan für das Leben der Menschen nicht eine gerade Linie ist, auf der sie gehen sollen. Früher dachte ich, dass Gott einen perfekten Plan für jeden Menschen im Kopf hat und man ihn finden muss. Das galt ein wenig für meine persönliche Berufung. Dadurch ist so viel Freude in mein Leben gekommen. Aber mittlerweile kenne ich viele, die sich danach sehnen, Gottes Plan in Bezug auf ihre Berufung zu folgen. Doch obwohl sie offen sind, zeigt Gott ihnen nicht den Weg, in dem Sinne, dass er sagt: „Gehe an der Kreuzung links oder rechts.“
Warum tut er es, Ihrer Meinung nach, nicht?
Weil er möchte, dass der Mensch sich entfaltet und lernt, frei das Gute zu wählen. So wie eine Mutter, die dem Kind viele Spielzeuge schenkt und sagt: „Suche dir eines aus!“. Meine praktische Erfahrung zeigt mir, dass es Gott oftmals offensichtlich nicht so wichtig ist, was man äußerlich in seinem Leben tut. Er wünscht sich, dass wir unser Potential entfalten, dass unser Herz groß und weit wird und dass es ein liebendes Herz wird, sozusagen ein „himmelfähiges Herz“.
Was ist mit Menschen, die Gott ganz konkret um etwas bittet?
Manchmal spüren Menschen ganz deutlich, wozu Gott sie einlädt. Das ist eher die Ausnahme. Auch in diesem Fall geht es Gott nicht zuerst um den Plan, sondern um das Herz der einzelnen Person. Gott braucht dich ja nicht, um diese Welt zu retten, er inspiriert dich und stellt dich auf einen Weg, auf dem sich dein Herz am meisten für die Liebe entfalten kann. Es geht dann darum, sich in Freiheit zu fragen: „Bin ich bereit, den Weg zu gehen, zu dem Gott mich einlädt?“ Und wenn er dich zu einem klaren Weg einlädt, dann beinhaltet das beides: Freiheit und konkreten Plan.
Ein Negativbeispiel: Es gibt junge Menschen, die denken, dass Gott wie ein Vater ist, der das Familienunternehmen leitet und nur den einen Wunsch hat, dass der Sohn in das Unternehmen einsteigt – obwohl der vielleicht lieber Künstler würde. Sie denken, sie sollten ihr Leben Gott weihen, obwohl sie selbst es nicht wollen, weil sie meinen, dass es die „beste Berufung“ ist und Gott es von ihnen verlangt. Doch dahinter steckt innerer Druck: Da ist jemand, der mich ruft, etwas zu tun, was ich im Tiefsten nicht tun möchte. Diese Vorstellung ist auf zwei Seiten unreif: Zum einen in Bezug auf mein Gottesbild und zum anderen gegenüber mir selber. Jesus machte sich aus freier Entscheidung zum Diener. Er hatte eine totale innere Freiheit
Das macht es aber ganz schön schwer für uns junge Menschen. Ehrlich gesagt, wäre es manchmal sogar leichter, Gott würde uns schwere Entscheidungen abnehmen oder uns zumindest einen Hinweis geben.
Viele junge Menschen haben Angst, Entscheidungen zu treffen. Bei einem fünfjährigen Kind ist es verständlich, dass es keine reifen Entscheidungen treffen kann. Wenn ein Zwanzigjähriger jedoch genauso handelt, ist das ein Problem von Reife. Gott wird ihn nicht sein ganzes Leben lang wie einen unreifes Kind durch das Leben lotsen.
Aber manchmal muss man existentielle Entscheidungen treffen, obwohl man um seine eigene Unreife weiß, zum Beispiel bezogen auf die Berufswahl nach dem Abitur. Wie sieht es da aus?
Irgendwann kommt der Moment, in dem ich eine Entscheidung treffen muss, obwohl ich mich unreif fühle. Ich muss einen Schritt für das eigene Leben machen. Allerdings gelten ja heute die meisten Entscheidungen nicht mehr ein Leben lang. Früher hat man einen Beruf für ein ganzes Leben gewählt. Heute muss man vor Entscheidungen weniger Angst haben, weil sie weniger definitiv sind als früher. Da heißt es: Raus aus der Komfortzone! Und zu lernen: Es ist nichts passiert, ich lebe immer noch. Gott lässt herausfordernde Situation zu, damit die jungen Menschen reifen.
Worin liegt die eigene Verantwortung?
Die eigene Verantwortung ist absolut. Es liegt in meiner Hand, wie ich auf die liebevolle Einladung Gottes eingehe. Und wenn Gott nicht konkret zu mir spricht, dann kann ich in mich hineinhören und schauen: Woran denke ich eigentlich, wenn ich eine Wahl treffe? Bin ich nur auf mich selber fixiert? Oder schaue ich auch, wo ich einen Dienst für andere tun kann? Will ich ein liebender Mensch sein?
Zuletzt noch: Manche jungen Menschen haben Sehnsucht nach einem großartigen Plan und sind enttäuscht, wenn sie ihr Alltagsleben anschauen.
Das ist abhängig davon, welches Bild du von deinem Leben hast. Denke einmal an die Geschichte von dem Auszug aus Ägypten des Volkes Israel. Wenn du das Bild hast: „Gott führt mich auf einem tollen Weg“ und nur auf das Äußerliche schaust, wirst Du zwangsläufig enttäuscht werden. Wenn du aber das Bild hast, dass Gott einen persönlichen Weg der Liebe und der Freiheit mit dir geht, wenn du auf das schaust, was innerlich mit dir passiert und wie sich deine Beziehungen entwickeln, dann ist das Leben wahnsinnig spannend.
Die gegenwärtige Schwierigkeit vieler junger Menschen besteht darin, in der Tiefe in das eigene Herz zu schauen. Sie leben so oft unter Angst, Anspannung und Druck, weil das, was sie denken, nach außen hin leisten zu müssen, hart ist. Doch Gott bringt sie dazu, in die Tiefe des eigenen Herzens zu schauen, indem er ihnen Enttäuschungen nicht erspart. Wir sind immer seine Kinder, aber er möchte auch, dass wir freie Erwachsene werden; oder „erwachsene Kinder“. Deswegen geht er diesen Weg der Liebe mit uns.
Vielen Dank.
Das Interview führte Angela Kunze.